Fasten bei Burnout und Depression? Klingt wie: „Bier ist gut für die Muttermilch“. Warum sollte Fasten der Psyche helfen? Und wie bringt das Hungern die Stimmung ins Gleichgewicht? Ich habe mich in die Hungerkur gestürzt und Großartiges herausgefunden.
Was ist Fasten?
Fasten ist der freiwillige Verzicht auf feste Nahrung für eine bestimmte Zeit. Es gibt verschiedene Fastenformen, wie Buchinger-, Mayr-, Basen-, Teilfasten, Entlastungstage etc. Evolutionsbedingt kennt sich unser Körper mit einer Nahrungsknappheit sehr gut aus und nutzte diese Zeit für innere Aufräumarbeiten und Regeneration. Denn, in Dürrezeiten konnte der Körper so seine Baustellen und Problembereiche sanieren, während er von seinen Reserven zehrte.
Was passiert beim Fasten?
Zuerst werden die Glykogenreserven angezapft, also die Speicher der Kohlenhydrate, die nach ungefähr einem halben Tag aufgebraucht sind. Bevor der Körper an die Fettspeicher geht, zieht er seine Energie aus liegengebliebenen Projekten. Dazu zählen Aufräum- und Entschlackungsarbeiten. Das, was zuletzt in das Bindegewebe transportiert wurde, wird wieder abgebaut. Nach ungefähr 3 Tagen verstoffwechselt der Körper das Fett, wobei ein typische Fastenhoch entsteht. In den Fettzellen liegt alles „mundgerecht“ vor und kann mühelos verbrannt werden, so entsteht ein Gefühl der Leichtigkeit, man wundert sich, woher die Energie und diese verdammte gute Laune kommt.
Fasten wirkt auf den Stoffwechsel und reduziert Stress
Fasten wirkt verjüngend und regenerierend. Beim Fasten werden nach einer gewissen Zeit Wachstumshormone ausgeschüttet, die eine Verbesserung der Stimmung auslösen. Dieser Effekt kann schon beobachtet werden, wenn man beim sogenannten „Dinner Cancelling“ das Abendbrot auslässt. Es regt das Recylingsystem der Zellen an, hemmt Entzündungen und bildet durch Neurogenese neue Nervenzellen. Der Blutdruck fällt, die Stressresilienz und der Umgang mit oxidativem Stress verbessert sich. Das Fasten hat außerdem Auswirkungen auf Endorphine, Serotonin, Ketone, die Lipolyse, Gluconeogenese und Insulinsensitivität.
Durch das Fasten verbessern sich die Schlafqualität, die Konzentrationsfähigkeit, das Schmerzerleben, die Leistungsfähigkeit, die Lebenserwartung und die Wachheit. Zusätzlich geht damit auch ein seelisches und geistiges Wachstum einher. Otto Buchinger nannte diesen Vorgang: „Zu-sich-selberkommen“.
Nach ca. drei Fastentagen macht sich eine Euphorie breit. Das sogenannte Fastenhigh. Die Serotoninkonzentration steigt. Was passiert da genau?
Fasten wirkt wie ein natürliches Antidepressivum
Das zentrale serotonerge System wird durch das Fasten stimuliert. Es ist auch das System, das durch LSD oder Ecstasy stimuliert wird. Und genau dieses System ist auch bei Angststörungen oder Depressionen beeinträchtigt.
Wird nun die Nahrung weggelassen, steigt im Gehirn die Serotoninsynthese. Nach einigen Tagen der Nahrungsrestriktion sinkt die Anzahl der Serotonintransporter. Im synaptischen Spalt staut sich das Serotonin. Die erhöhte Konzentration an Serotonin im extrazellulären Raum ermöglicht eine intensivere Interaktion mit den Rezeptoren. Woher kennen wir das Phänomen? Na klar: Antidepressiva sollen genau das auslösen. Nur witzig, dass das ganz ohne Tabletten funktioniert. Was sagen wir dazu, liebe Pharmageier?
Im zweiten Schritt und durch die Nahrungsrestriktion, wird zusätzlich Serotonin synthetisiert, wodurch die Wirkung des Fastens stärker ist als die eines selektiven Wiederaufnahmehemmers (Antidepressivum). Hmm, merkwürdig, was so alles ohne Tabletten geht.
Achtung: Fasten kann psychisch abhängig machen
Es kann eine unbewusste Assoziation zwischen Fasten und einer Stimmungsverbesserung kommen, sodass das Heilfasten als eine gewisse Bewältigungsstrategie erlebt werden kann. Sehr sensible Menschen, mit wenigen Bewältigungsstrategien sind besonders gefährdet. Daher sind leichte Stimmungstiefs lieber mit einer Tafel Schokolade oder einer Tüte Chips zu bekämpfen. Zucker und Fett stimulieren kurzfristig nämlich auch das zentrale serotonerge System, welches vermehrt Serotonin produziert. Fasten ist eine bewusste Entscheidung und sollte daher nicht missbraucht werden. Ein gesunder Umgang mit der Nahrung nach den Fastentagen ist hier besonders wichtig.
Die Fastenkur wirkt wie eine Reise in die Vergangenheit
Es kann, während der Fastenkur, auch zu einem erneuten Auftauchen der Symptome kommen. Rüdiger Dahlke spricht davon, dass man beim Fasten Schicht für Schicht in seine eigene Vergangenheit vordringt. Das Fett-und Bindegewebe speichert die persönliche Geschichte, die nun noch einmal bearbeitet und verarbeitet werden kann. Mit jedem Fastentag wird der Körper ein Stück reiner und die Seele klarer bis die Überbleibsel negativer Materie abtransportiert wurden.
Die psychologische Geschichte des Fastens
Moskau: In den 1950érn verweigerte ein psychisch kranker Patient von Prof. Juri Nikolajew die Nahrung. Statt ihn Zwangsernährung, wie es sonst zur „Therapie“ gehörte, vertraute er dem Patienten und ließ ihn auf eigenen Wunsch hungern.
Nach einiger Zeit des Hungerns, fing der Mann wieder an zu sprechen, bewegte sich, mischte sich unter die anderen Patienten und wurde gesund.
Darauf behandelte Prof. Juri Nikolajew Depressive, Phobiker und Schizophrene, indem er sie durchschnittlich 25 Tage lang fasten ließ. Die Kur war einfach und ist es bis heute geblieben: Nichts als Wasser! Ein umfangreiches Forschungsprojekt mit 8000 Patienten bestätigte seine Beobachtungen: Fasten wirkt beruhigend und antidepressiv bei 70% der Patienten. 6 Jahre später galt das immer noch für 47%.
Die Fastenkur wird als alternatives Heilverfahren noch nicht anerkannt, weil sich damit keine Antidepressiva verkaufen lassen
Bislang zeigt sich die Pharmaindustrie not amused und stellt keine weiteren Forschungen zu diesem Thema an, denn mit einer kostenlosen Heilung ohne Medikamente lässt sich kein Geld verdienen.
Einige Ärzte haben die heilende Wirkung des Fastens erkannt
Prof. Dr. Andreas Michalsen von der Charité in Berlin behandelt als einer er wenigen Ärzte in Deutschland Stoffwechselerkrankungen mit Fasten. Auch er hat die hormonellen Veränderungen im Körper untersucht und herausgefunden, dass das Fasten eine positive Wirkung auf die Stimmung hat.
„Wenn ich ein neues Medikament entwickelt hätte, mit diesen Wirkungen, stünde mein Telefon nicht still. […]Man würde uns mit Fördermitteln überhäufen. […] Wenn ich jetzt Studien gemacht hätte mit einem neuen Medikament und dieser Wirkung, dann würde ich jeden Tag einen Anruf bekommen mit Anträgen und Fördermitteln“, sagt der Chefarzt im Artefilm.
Kritiker warnen vor dem Fasten. Es führe zum Eiweißabbau, greift die Organe an und würde schließlich zum Tod führen. Dabei zeigen Studien, dass lediglich an Tag 2-3 Glukose der Muskeln geklaut wird und danach Energie aus dem Fett, den Ketonkörpern bereitgestellt wird. Diesen Prozess machen wir uns in der ketogenen Diät zu Nutze, die bei Krebs und neurologischen Erkrankungen eingesetzt wird.
Das Fasten kann eine Chance sein.
Nicht nur bei psychischen Erkrankungen, sondern auch in der Krebsforschung zeigen sich Erfolge. Doch bevor man sich Hals über Kopf in die Fastentage stürzt, sollte man sich zunächst überlegen, welche Fastenkur die Richtige darstellt und welche Vorbereitungen und Vorkehrungen getroffen werden müssen. Am besten funktioniert das Fasten mit einem Buddy, der sich bereits auf diesem Gebiet auskennt, oder man macht ein kleines Retreat. Ich rate davon ab, nebenbei auf Nahrung zu verzichten und weiter arbeiten zu gehen. Bei völligem Nahrungsverzicht sollte man sich mit der Darmreinigung vertraut machen 😉
Zum Schluss noch ein paar Peace-Fakten:
Fakt #1: Heilfasten ist keine Nulldiet! Hier geht es nicht um das Abnehmen, hier geht’s um´s Gesund werden und gesund bleiben. Es geht um Entgiftung, Ausscheidung, psychische Heilung und Regenration.
Fakt #2: wer eine Essstörung hat oder darauf reagieren könnte, lässt bitte auch die Finger vom Heilfasten. Beim Fasten kann nämlich leicht ein Suchtpotenzial entstehen.
Fakt #3: es gibt ein paar wenige Krankheiten, bei denen nicht gefastet werden darf, z.B. Schilddrüsenüberfunktion, Schwindsucht, AIDS…
Prof. Dr. Andreas Michalsen
ist Vorstandsvorsitzender der Carstens-Stiftung, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin und Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde an der Charité.
Studie gefällig? Essen, Serotonin und Psyche: Die unbewußte nutritive Manipulation von Stimmungen und Gefühlen.
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